Ukraine

Einfahrt in die Ukraine über die alte Brücke:

Bei der Ausreise keine Probleme. Aber die Einreise in die Ukraine ist anders. Erst einmal wird an einer ersten Stelle das Kennzeichen notiert und man bekommt einen kleinen Zettel mit. Zweite Station ist die Kontrolle der Fahrzeugpapiere. Wir werden zur Seite gewunken. Gepäckkontrolle. Bei mir alles ohne Probleme. Aber bei Micha gibt es anscheinend was zu holen….aber das berichtet er lieber selber. Bei der Gesichtskontrolle gibt es keine Probleme und so dürfen wir nach einer Dreiviertelstunde weiter reisen.

Ich fahre also an die Seite und soll mein Topcase öffnen. Kein Problem, denke ich. Aber denkste. Der gute Mann sieht sofort mein Messer, welches ich nach der letzten Benutzung nicht in den Koffer, sondern ins Topcase gelegt hatte. Ich habe mir dieses Messer vor allem zum Wandern gekauft. Ich kann damit gut Holz hacken und spalten und brauche bei Schneeschuhtouren kein Beil mitschleppen. OK, das Messer ist groß, aber in Deutschland absolut legal. Nachdem er es gesehen hat ist alles andere egal. Er sagt nur „Problem“. Mehr kann er mir auf englisch nicht mitteilen. Er nimmt das Messer und verschwindet damit. Na toll, denke ich, das sehe ich wohl nicht wieder. In Gedanken überlege ich mir schon eine Strategie wie ich es wieder bekommen kann. Dann ruft man mich zurück an den Schalter der Personenkontrolle. Dort ist der Beamte, mein Messer und sein Kollege, der mit Hilfe von Google Translator versucht mir klar zu machen das es mit diesem Messer ein Problem gibt. Ich höre gar nicht zu und fange an meine Geschichte zu erzählen: Wir brauchen das Messer um Holz zu hacken, haben dafür nichts anderes, reisen 8 Monate durch Europa und brauchen das Messer ganz dringen. Ich sei ein netter Kerl, der niemandem etwas zu leide tut ( das stimmt ja auch 😉 ) …
Nachdem ich dieses Lied vier Mal „vorgesungen“ habe, bekomme ich mein Messer zurück. Puh, grad noch mal gut gegangen.
Ab jetzt kommt das gute Stück bei jedem Grenzübergang in den Seitenkoffer nach ganz unten.



Die Straßen werden schlechter. Große und kleine Löcher. „Loch an Loch und hält doch“ mittlerweile der Standardspruch von Micha.
Die Ortsdurchfahrten sind nicht schön. Viele Geschäfte, hauptsächlich Anziehsachen, Abendmode. Irgendwann biegen wir auf eine Hauptstraße, unsere Verbindung nach L´VIV. Hier gibt es laut GoogleMaps einen BMW Händler, auch für Motorräder. Rosi hatte eine Fehlermeldung und lief nur im Notbetrieb. Mittels Neustart konnte das Problem bisher immer behoben werden. Aber wir wollen danach sehen lassen. Die sogenannte Hauptstraße entwickelt sich zu einer „Slalom-Schlammfahrt mit weiteren Hindernissen“. Absoluter Wahnsinn. Wir brauchen für 30 km fast 1 Stunde (!!!!). Wenn das so weitergeht sind wir erst Mitternacht am Zielort. Kaum das wir das ausgesprochen haben, wird die Straße dann ein wenig besser, aber auch nicht bedeutend. Asphalt und Löcher wechseln sich ab. Wir sind beide erleichtert, als die Straße ein Ende hat. Nach 65 km auf dieser Straße kommen wir auf eine Fernstraße. Stumpfes dahinrollen. Aber nach diesem geholper wirklich eine Erholung. Als eine Ampelanlage an einer Kreuzung auftaucht, sehe ich jemanden, der eine Kuh über die Straße führt. Dann geht er kurz auf den Fußweg und biegt durch ein kleines Tor in ein kleines Gartenstück. Erst jetzt bemerke ich, das hier ein kleines Dorf ist. Diese Fernstraße wurde einfach durch das Dorf „geteert“. Die Dorfstraße mutierte zu einer gefühlten Autobahn. Direkt durch die Gärten. Die Kuh steht jetzt vor dem Eingang vor dem Haus. Zwischen Haus und Fernstraße. Das habe ich auch noch nie gesehen.

Wir finden den BMW Händler. Da es bereits 21 Uhr ist gehen wir in das Ramada Hotel, das gleich in der Nähe des Händlers ist.

Eingecheckt, ab in das Restaurant und wirklich gut essen und dann in dieses riesen Bett und schlafen. Was für ein Tag – mal wieder. Aber schön. Erfahrungen, Erlebnisse…. unbezahlbar.
Das Zimmer ist für ukrainische Verhältnisse mit 30€ teuer. Für uns aber ok und wie wir beim Betreten merken, dieses Geld allemal wert. Ein großes Zimmer mit großem Bett und gigantischem Bad. Sowas hatten wir lange nicht und wir schauen uns nur grinsend an. Ein cooles Gefühl.

 

Neuer Tag, neues Glück. Rosi wird sofort in die Werkstatt gebracht und der Fehler behoben. Bobber wird kurz mitgewartet. Wir sitzen gemütlich mit Kaffee, Wasser und WLAN im Wartebereich. BMW halt. Wirklich Klasse. Mal schauen, was die Rechnung sagt…. und siehe da, Micha bezahlt 36€ für Rosi. Bobber war kostenlos. Beide Motorräder wurden sogar gewaschen. Was für ein Service. Klasse! Vielen Dank!

Eigentlich wollten wir durch die Ukraine nur durchreisen. Wir entschließen uns aber, etwas länger zu bleiben. Der freundliche Mann von BMW hat uns ein paar „Must see“ rausgesucht und auf der Karte notiert. Warum wir das nicht selbst gefunden haben? Es ist alles auf ukrainisch und das verstehen wir beim besten Willen nicht. Alle anderen „Must see“ betrafen große Städte, wie Kiew. Das liegt aber dann doch ein wenig zu weit aus dem Kurs. Kiew schauen wir uns lieber ein anderes Mal an. Alleine die Anfahrt wären 550km. Und das nur komplett über Fernstraße, toten öde. Oder über Löcherholterdipolterstraßen. Das möchten wir den Felgen und uns nicht antun.

Während wir über diese Straßen hoppeln bzw. der geraden Straße folgen, sehen wir immer wieder Störche. Sie haben ihren Horst auf den Strommasten errichtet. Überall sitzt einer drin. Wahnsinn, wie viele Störche wir bisher auf dieser Reise gesehen haben. Da kann Deutschland einpacken. Im Vergleich würden wir an letzter Stelle stehen. Micha hatte zu Anfang gesagt, als die Storchpopulation zunahm, das im Süden kaum noch welche wären. Ich kleiner Großkotz hab gesagt, dass das an den Gegebenheiten liegt. Wir hätten viele Störche im Norden…. Hüstel… da hab ich mich geirrt…

Unser Weg führt uns nach Pantaliya, Oblast Riwne. Hier haben wir an der Straße ein Hotel gesehen, das wirklich gepflegt und nett von außen aussieht. Campingplätze gibt es hier nicht. Wildcampen möchten wir hier auch nicht. Also ein Hotel. Micha geht rein und erkundigt sich nach den Preisen. Er kommt raus. „400 UAH möchten Sie haben.“ ….“Pro Person?“ frage ich. „Nein, für uns Beide, mit Frühstück“ sagt Micha. Da falle ich fast vom Motorrad. Das sind umgerechnet nur 13,04€!!! „Die Motorräder sollen wir hier vorne hinstellen, da stehen sie sicher. Die Rezeption hat sie dann im Blick“. Wahnsinn. In meinem Magen grummelt es. Was das wohl für ein Zimmer ist? Für den Preis, das kann nix werden. Tja, was soll ich sagen. Ich werde eines besseren belehrt. Sauber, gepflegt und groß ist das Zimmer. Und der Ausblick aus dem Zimmer ist auch nett. Insgesamt ist die ganze Anlage wirklich schön. Auf dem Gelände gibt es auch eine `Wedding Hall`. Die Anlage ist schön gestaltet.
Ja, das Hotel liegt direkt an der vielbefahrenen Straße, aber das fällt nicht auf.

Das Abendessen nehmen wir im dazugehörigen Restaurant ein. Eine englische, veraltete Essenskarte gibt es. Eine ukrainische Karte bekommen wir dazu. Die Angestellte kann ein wenig englisch. Mit Handy und Translater versuchen wir etwas zu essen zu bestellen. Immer wieder sage ich zu Micha: „Das kann nicht sein, Schatz. Für das beschriebene Essen 15 UAH? Das geht doch gar nicht. Das sind umgerechnet 49 Cent!“. Wir entscheiden uns für traditionelle Gerichte. Eine Suppe mit Rote Beete, Kartoffeln und Zwiebeln. Dann gibt es eine Art Maultaschen, gefüllt mit Kartoffeln und Kartoffelpuffer. Micha hat dann noch ein Gericht aus einer Panne (so war es beschrieben), bestellt. Das war auch sehr lecker. Kartoffeln, Pilze mit Salami und Schwein in einer kleinen Pfanne serviert. Wir bestellen und dann noch jeder einen Nachtisch und dann kommt die Rechnung. Für das ganze Essen bezahlen wir gerade mal (mit Trinkgeld) 13,04€. Soviel, wie das Hotelzimmer kostet. Unfassbar.

Gut ausgeschlafen kommen wir zum Frühstück. Ungewöhnlich, es gibt zwei Sachen zur Auswahl: Suppe oder Apfelstrudel. Das ist im Zimmer mit inbegriffen. Der Apfelstrudel schmeckt und wir bestellen noch etwas aus der Karte. Englisches Frühstück. Mit Bohnen, Speck, Eiern. Gefühlt rollen wir nachher raus. Gekostet hat uns das gerade mal 3€. In diesem Land würden wir dick werden. Da dürfen wir keine 3 Wochen bleiben.

Die heutige Ausfahrt führt uns ein wenig mehr in das Landesinnere. Die Straßen wieder schnurgerade mit schlechtem Asphalt. In die Landschaft schauen sollte man nicht, lieber auf die Straße. 100m ist guter Asphalt und -ZACK- ein Loch in der Mitte der Fahrbahn. Und ein großes Loch… dann noch diese rücksichtslose und wahnsinnge Fahrweise. Verrückt. Dazu muss man unbedingt mal einen Blick ins Video werfen. Sonst glaubt man das nicht.

Ankunft am Must See „Tunnel of Love“. Wir sind bei Dubens´kyi rayon, Oblast Riwne. Hier ist eine Bahnschiene, die zwei Werke miteinander verbindet. Auf dieser Schiene werden auch noch Güter bewegt. Die Bäume, die am Rand stehen, bilden einen Tunnel. Dadurch, dass die Lok mit Güterwagons dort regelmäßig durchfährt, wächst es auch nicht zu. Die Motorräder lassen wir gut gesichert am Parkplatz und stapfen los. Am Parkplatz waren schon ein bis zwei Mücken. Daher hatten wir uns vorsorglich dort noch mit „Anti Mücke“ versorgt. Zum Glück. Je dichter wir den Schienen kommen, verdichtet sich auch die Mückenarmee. Auf den Schienen angekommen wird man umzingelt. Wir gehen immer schneller, keine Chance. Diese Mistviecher sind uns auf den Fersen. Egal. Wir möchten hier ein paar Fotos machen. Micha baut sein Stativ auf. Während er aufbaut, klopfe ich auf seinem Rücken die Mücken weg. Mit meiner anderen freien Hand versuche ich mich etwas Mückenfreier zu halten. War ja klar. Die T-Shirts und Beine hatten wir nicht eingesprüht.
Micha positioniert mich und los geht es. Ruhig stehen fällt einem nicht leicht. Aber es klappt. Keine 10 min später galoppieren wir die Strecke zurück. Puh…. was für eine Action. Mal gucken, wie wir heute Abend aussehen. Bis jetzt juckt es noch nicht.

Die Reise führt uns weiter mach Rivnens`kyi rayon, Oblast Riwne. Zum Fort Tarakanivskyy.

Beeindruckend, was die damals hier gebaut haben. Wir schlängeln uns durch die Gänge und fragen uns, was die hier alles gemacht haben. Wofür baut man sich solche Hallen? Was war hier drin? Später recherchiert Micha noch ein wenig. Ein militärischer Komplex. Es wurde mit dem Hauptziel gebaut, um die Lviv-Kyiv railroad zu schützen und war eine Beton-Erde-Befestigung. Komplexe militärische und politische Verhältnisse in der Ukraine im 18-19ten Jahrhundert erforderten strategische Befestigungsanlagen wie diese um seine Länder und Bürger zu schützen. (Auszug aus www.destinations.com)

Auf der Rückfahrt zum Hotel entschließen wir uns dann doch weiter zu reisen. Die Straßen machen einfach kein Spaß zu fahren. Wie sagte Micha: „Die schlechtesten und langweiligsten Straßen mit den rücksichtslosesten Autofahrern. Nur weil billig, kein Urlaubsland.“ Aber wir werden irgendwann wieder kommen. Kiew möchten wir uns anschauen. Aber lieber ohne Motorrad oder Auto.
Schließlich hatten wir hier in der Ukraine auch den bisher einzigen Unfall. Vor mir fährt ein rotes Auto durch die Baustelle, in der es einspurig voran ging. Das Auto gehört zur Baustelle und hat sich direkt vor mich gesetzt, als die Ampel grün wurde. Die Baustelle ist gerade zu Ende da macht es auf einmal die Warnblinker an und fährt nach rechts an die Seite. Ok, der will anhalten, denke ich und fahre noch etwas in Richtung Straßenmitte. In dem Moment reißt er das Lenkrad rum und will nach links um das Auto zu wenden. Ich werfe den Hauptanker und schaffe es nicht mehr ganz zum Stehen zu kommen. Ich treffe ihn hinten links mit meinem Vorderrad und kann Rosi auch nicht halten. Sie kippt zur Seite. Wenigstens mal die linke Seite, rechts lag sie ja schon in Kroatien 2015. Beide gehen wir auf den Fahrer los. Ich habe Kerstin noch nie so gesehen. Mit ihr möchte ich keinen Unfall haben, an dem ich Schuld bin ;-). Nach kurzer Predigt, die der junge Fahrer sowieso nicht verstanden hat, heben wir Rosi auf. Kurzer Check, nichts passiert, also erstmal weiter. Die Weiterfahrt beweist es. Nochmal Glück gehabt.

Ich muss sagen, mich persönlich beschäftigt die Ukraine noch. Diese Verhältnisse, die dort herrschen. An der Grenze schon „die alte Schule des Grenzpolizisten“. Ich habe sowas vorher noch nicht gesehen, geschweige denn erlebt. Diese Kontrollen. Jeder Kofferraum wird aufgemacht, die Autos werden durchsucht. Einige werden zu Seite gewunken, wie wir, um genauer zu schauen. Was bitte erwarten sie zu finden? Die Leute stehen vor der Customercontrol mit den Pässen. Das dauert, einige diskutieren (leider verstehe ich die ukrainische Sprache nicht). Es hätte mich interessiert, was diskutiert wird. Freundlichkeit sucht man hier vergebens.
Ein junger Mann, der hinter uns stand, sagte nur, das wäre alles normal. Heute würde es sogar schnell gehen. Er ist gebürtiger Rumäne, lebt jetzt in Österreich und will zu Besuch in die Ukraine. An der Grenze würde es immer etwas geben. Oftmals würden auch Sachen einfach so konfisziert. Man ist auf das ´Goodwill ´der Beamten angewiesen. Die Ausreise wäre aber noch viel schlimmer, sagt er dann noch.

Als wir in das Land einfuhren, war es erst wie in den vorherigen Ländern, allerdings mit schlechteren Straßen. Armut und Reichtum so nah beieinander. Die Dörfer sehr einfach, die Städte in gewissen Bereichen sehr modern. Dann allerdings auch viele Plattenbauten in den Städten, die stark Renovierungsbedürftig sind.
Wieviel Familien ich auf den Feldern gesehen habe. Jung und alt. Mit Pferdepflug werden die Felder gepflügt. Die wirklich großen Felder werden per Hand bestellt.
Dann stehen aber am Straßenrand diese riesigen Hotels, Motels und was nicht noch alles. Die anderen Felder werden mit Treckern bestellt. Alles nebeneinander.

Im übrigen, die Ausreise war wirklich ein Erlebnis. Zum Glück ging alles ohne Probleme, aber wenn an einem Beamtenhäuschen schon ein Aufkleber mit einem Bild „Gib Bestechung keine Chance“ klebt….

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