Die Zweite gleich noch hinterher

Und diese hat es in sich. Im Nachhinein war es ein Erlebnis, an das man jetzt gerne denkt. Es ist wie immer: in dem Moment, wo man es erlebt, wünscht man sich überall hin, aber nicht dorthin. Eine gewisse Zeit später ist es cool gewesen. „Weißt Du noch..?“

Kerstin meldet sich und fragt, ob wir nicht mal wieder wandern wollen. Eine Schneeschuhwanderung mit Übernachtung in einem Winterraum. Das hört sich gut an. Wir sind dabei.

Am 16.02. packen wir unsere Rucksäcke und fahren los nach St. Leonhardt im Pitztal. Wir hangeln uns von Stau zu Stau. Wir wollten uns gegen 9:00 Uhr treffen. Um 11:30 Uhr kommen wir endlich an. Dank einer Erkältung und derben Kopfschmerzen habe ich die meiste Zeit geschlafen. Micha ist komplett allein gefahren.
So sieht es aus, wenn es mir schlecht geht und ich schlafe:

Kerstin erwartet uns bereits. Ich nehme noch schnell eine Schmerztablette und los geht es. Die frische Luft wird mir sicherlich gut tun.

Hier liegt meterhoch der Schnee, stahlblauer Himmel und ein Tal wie aus einem Bilderbuch, so liegt unser Einstieg vor uns.

Es ist Wahnsinn, wie der Schnee blendet. Da ich sehr selten eine Sonnenbrille trage und das nicht unbedingt auf meiner Packliste steht (jetzt schon), hatte ich Glück, das Kerstin mir eine leihen konnte. Die Mütze und die Jacke habe ich bereits hinten auf den Rucksack verbannt, da es wirklich warm ist.

Als wir dann um eine Kurve kommen, erspähe ich die Hütte und sehe den Anstieg. Na Prost Mahlzeit. Die Hütte scheint im Himmel zu stehen und es geht steil bergauf. Ohne Schneeschuhe würde man gar nicht hochkommen!

Und dann rauschen hier auch noch die Skifahrer entlang.

Wir müssen über die Hälfte des Weges auf einer Skipiste nach oben antreten. Es ist ein mühsamer Aufstieg. Die Beine werden schwer, der Rucksack wiegt auf einmal wie Blei und das Wasser läuft einem dem Rücken entlang. „Wenigsten friert man nicht“ denke ich noch. Pause? Nein, lieber nicht lange stehen. Dann kühlt man aus. Also weiter. Ein Fuß vor den anderen Fuß, ähm, Schneeschuh. Und mit der inneren Stimme sich auseinandersetzen…. „du dumme Kuh musst auch mit einer Erkältung so einen Sch…. machen…. hättest mal im Bett bleiben sollen… aber nein… Madame muss ja mal wieder Aktionsidiotismus haben…“ hach, was ist die innere Stimme manchmal motivierend…

Nach gefühlten Stunden haben wir den steilen Part hinter uns gelassen. Vor uns liegt der Gletscher, mit einer meterhohen Decke aus Schnee.

Den Gletscher müssen wir überqueren. Hier können wir aber nicht einfach „querfeldein“. Wir müssen auf den Spuren laufen, da die Gefahr zu groß ist, das man einbricht und in eine Spalte rutscht. Das haben bereits Menschen mit ihrem Leben bezahlt.

Also gehen wir noch ein gutes Stück an dem Gletscher entlang bis wir eine Spur über den Gletscher sehen.
Was für eine beeindruckende Landschaft. Und Schwupp, schon ist die Arbeit von eben vergessen und die innere Stimme verstummt. Vorerst.

Man fühlt sich nur noch frei, genießt das beruhigende Geräusch von dem Schnee, der unter den Schneeschuhen knirscht, die Stille um einen, wenn man stehen bleibt. Wir brauchen hier keine Worte. Die leuchtenden Augen und zufriedenen Gesichter drücken in diesem Moment alles aus. Wir sind dankbare und glückliche Menschen.

Auf dem Bild oben sieht man die Hütte (oben rechts). Was für ein Anblick. Aber es ist noch ein ganzes Stück Arbeit bis dahin.

Die Hütte kommt näher. Wir müssen aber auch hier auf Spuren achten. Es können Schneebretter abgehen, Lawinen los getreten werden. Kerstin ist eine erfahrene Wanderin. Ansonsten wäre es auch einfach zu Leichtsinnig, „mal eben“ hier zu wandern.

Zur Hütte hinauf müssen wir selber spuren. Spuren? Ja, die vorher erwähnten Spuren sind bereits von vorher laufenden Schneeschuhwanderern oder Tourengeher in den Schnee getretene Pfade. Dadurch, das der Schnee bereits „platt getreten“ ist, läuft es sich einfacher. Wenn man selber Spuren muss, heißt das, dass der Schnee „runter getreten“ werden muss. Es ist anstrengend. Wir wechseln uns ab bzw. mache ich nur ein kurzes Stück, da ich jetzt Dank der Erkältung immer kaputter werde und die Knochen ganz schön spüre. Aber ich schwitze jetzt bestimmt alles raus 😉 Aufgrund der hohen Lage der Hütte und der damit verbundenen dünnen Luft müssen wir doch das ein oder andere Mal eine Pause machen.

Geschafft. Kurz vor Sonnenuntergang erreichen wir die Hütte. Endlich! Ich könnte heulen vor Glück.

Auch Micha und Kerstin machen jetzt zwei bis drei Kreuze.

Fix in den Raum, Feuer im Ofen machen und dann was essen. Leider können wir das Bergpanorama nicht mehr genießen. Die Sonne ist schon verschwunden. In den Bergen geht das fix. Dafür sehen wir die kleinen Lichter von den Schneeraupen und Orten. Und ich muss auch ehrlich sagen, mir geht es jetzt nicht gut. Der Kopf klopft, die Nase tropft und jede Bewegung tut einfach weh. Aber ich habe es geschafft. Jetzt möchte ich mich einfach nur hinsetzen, ausruhen, was trinken, die Augen zu machen, Wärme vom Ofen genießen und dann SCHLAFEN!

Dann die Enttäuschung. Der Ofen in dem Winterraum ist kaputt. Wir können nicht heizen geschweige denn Wasser schmelzen. Das Abluftrohr ist defekt, so dass der Rauch in den Raum zieht. Und natürlich nicht nur in den Raum mit Tisch und Stühlen, sondern auch in den Schlafraum. Fenster auf geht im Essraum, im Schlafraum nicht. Die Fenster sind vom Schnee bedeckt.

Feuer aus, dummes Gesicht machen. Danke, reicht schon.
Nach einer kurzen Frustration kommt Plan B. Kocher raus (zum Glück hat Micha immer einen an Bord), nur das Notwendigste warm machen (Tee und Wasser für das Fertigessen) und dann mit allen Decken und Kissen die die Hütte hergibt eine Burg bauen. Darunter liegt der Schlafsack. Da noch rein kriechen und der Schlaf kann kommen. So liegen wir drei dann sehr früh in den Kojen. Und ich bin sofort weg. Tut das gut!

Da sieht man sogar den Atem:

Gefroren hat keiner, es wurde uns doch ziemlich warm. Aber das Aufstehen, das kostet jetzt Überwindung. Brhhhh…. mit klappernden Zähnen geht es raus.
Dann rebelliert auch noch der Magen in dem Moment des aufstehen. Na super. Das war anscheinend etwas zu viel für ihn… na ja, raus, was keine Miete zahlt.
Jetzt aber Zähne putzen. Mit Schnee Zähne putzen war schon immer der Traum meiner schlaflosen Nächte, denke ich, und lache los. Das macht man alles freiwillig. Das sollte man nie vergessen in solch einer Situation. Also: „Lächeln und winken“! Und ehrlich, bei dem Ausblick ist doch Zähneputzen was geniales:

Nach einem kurzen Kaffee und Porige wappnen wir uns für den Abstieg.

Wie immer geht einem dieser doch wesentlich leichter von der Hand. Zumindest der Teil bis zum Gletscher.

Nochmal die Aussichten genießen und dann… 

…erreichen wir die Skipiste und jetzt erwartet uns doch nochmal harte Arbeit. Stück für Stück arbeiten wir uns den Berg hinab. Langsam, Schneeschuh vor Schneeschuh. Teilweise ist es so steil, das man denkt, man sitzt. Die Knie und der Rücken melden sich, das Blut pulsiert, so dass man denkt, dass die Oberschenkel gleich platzen.

Ich denke an meine Hüfte und hoffe, das ich alles gut überstehe und mein Gelenk nicht zu sehr leidet…. wie kann man so blöd sein? Die eigenen Knochen selber kaputt machen? Mensch Meyer. Da ist sie wieder, diese Stimme. Das hast Du gestern hoch gemacht???
Diese innere Stimme ist manchmal hart zu einem selbst (und hat oft auch Recht), lustig, manchmal anstrengend und nerven kann sie auch…. aber es wird nie langweilig 🙂 

Aber wir schaffen es. Wir sind 1.000 Höhenmeter gestern hoch und heute runter. Wahnsinn. Das habe ich vorher noch nie gemacht. Puhhh….

Micha ist bereits zu Otto vorgelaufen und hat ihn vorgewärmt. Angekommen werden fix die Sachen komplett  ausgezogen und es werden trockene Sachen angezogen. Und auf einmal geht es einem wieder gut. Schmerzen? Ich??? Nöööö….. das ist das Glücksgefühl, das geschafft zu haben. Da tut nix weh. Der Muskelkater kommt morgen….

Anmerkung: Ich habe mich entschlossen, solche Touren nicht mehr zu machen.  Rd. 1.000 Höhenmeter per Pedes mit solchen steilen Aufstiegen. Es war eine traumhafte und einmalige Erfahrung. Hätte ich das nicht gemacht, wüsste ich nicht, wo meine Grenzen sind. Hier ist zumindest eine Grenze, die ich überschritten habe. Und eins kommt noch hinzu, das ich durch meine Prothese auch an gewisse Dinge halten sollte und nicht ausreizen. Ich möchte noch lange ohne Probleme laufen können. So ehrlich muss man dann auch sein. Zu sich selber und auch Anderen gegenüber.